(M)ein Herz für Lehrer*innen
Gedanken vor den Sommerferien
An so manche Eltern: hört auf, LehrerInnen auf den Nerv zu gehen, wenn es für den Nachwuchs mal nicht so läuft, wie ihr es gern hättet.
Die haben so schon genug um die Ohren. Genau wie ihr. Auch immer mehr Dokumentation.
Lasst sie ihren Job machen, macht ihr euren.
Wie wäre es mit Erziehung?
War nur Spass.
Die Lehrerschaft führt i.d.R. nix Böses im Schilde. Habt Vertrauen, dass sie es gut meinen mit dem Nachwuchs. Bei real existierenden Problemen mit Verhalten und Leistung von SchülerInnen wird seitens der Eltern oft ausblendet, was Sprössling bei einer Geschichte mitverursacht hat. Ganz zu schweigen davon, was sie selbst zur Situation beitragen.
Natürlich will man sein Kind in Schutz nehmen. Das darf nur nicht dazu führen, die alleinige Verantwortung (vulgo Schuld) für die Situation dem Lehrer oder der Lehrerin in die Schuhe zu schieben.
Das führt geradewegs in einen Machtkampf und schadet im Ergebnis dem Kind. Und um dieses geht es ja wohl. Oder?
Wer sich vom oben Gesagten angesprochen fühlt – mache doch mal was total Verrücktes: versetzt euch in einen Menschen hinein, der Kindern im Jahr 2022 etwas beibringen will/soll/muss. Ich habe immer noch Kontakt zu vielen LehrerInnen in allen Schulformen und auf allen Hierarchiebenen, aus dem gemeinsamen 2. Staatsexamen im Lehramt seinerzeit. Dass ich der Schule nach dem Referendariat den Rücken gekehrt habe, ist eine andere Geschichte.
Fast alle berichten heute, dass sich ihr Hauptlernziel im Unterricht gravierend verändert hat:
von z.B. dem Dreieck des Pythagoras hin zu Herstellen von Arbeitsfähigkeit in der Klasse.
Und niemand interessiert sich dafür.
Manche auch deshalb, weil sie entweder meinen, dass Kenntnisse in TikTok ausreichen oder tragischerweise bereits vor der Pubertät glauben, sie hätten eh keine Chance. Manchmal steht auch jemand mitten im Unterricht auf und zieht irgendeine Show ab, die mit Pythagoras eher nichts zu tun hat, während andere ihn mit gezückten Handys feiern und Pythagoras nach links swipen.
In vielen Klassen herrscht ein nervöses, emotional aufgeladenes Grundrauschen, viele sind zappelig und stecken andere an, andere wirken in sich oder ins Smartphone unterm Tisch gekehrt und abwesend, ein paar sind genervt, weil sie Bock haben, was zu lernen, aber nicht dazu kommen. Bitte haltet durch.
Hat wer eine Ahnung, was das mit Einem macht, solche Situationen zu steuern?
Das ist Stress hoch zehn. Das Gefühl, den Stoff nicht geschafft zu haben, nagt bei vielen KollegInnen auf Dauer am Selbstwert. Wer dann noch private Baustellen im Rucksack hat, sollte auf sich achtgeben.
Das heißt, diese Menschen nehmen nicht nur Klassenarbeiten, sondern auch eine andere Last mit nach Hause, eine Seelische.
Vermutlich resultiert die seelische Last aus der Empathie für die anvertrauten Kinder, von denen es sehr viele emotional sehr schwer haben und aus der oft überzogenen Selbstkritik, die ein Nicht – Unterricht mit sich bringt.
Mir ist niemand bekannt, die/der kein Herz für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hätte – im Sinne einer gelingenden Mündigmachung. In meiner Bubble zumindest ist das so.
Von so mancher Stunde mit Orffschem Instrumentarium mal abgesehen.
Heute beinhaltet die Arbeit an Grundschulen einen sehr großen Teil sozialer, also kommunikativer Arbeit, vor allem mit Eltern. Zusätzlich zum Unterricht. Das war zwar schon immer so, nur das Ausmaß ist ein völlig anderes.
die zur Schule müssen.
LehrerInnen, denen ein förderlicher Umgang damit gelingt, dürften Musterbeispiele für emotionale Kompetenz sein.
An uns alle: lasst uns bei allen kontroversen Diskussionen über das System Schule oder auch bei persönlichen Differenzen mit dem Lehrpersonal nicht länger ausblenden, was Die leisten.
Und was einige sonst noch seelisch aushalten und regulieren müssen, davon war noch gar nicht die Rede: persönliche Drohungen, übelste Beschimpfungen und tatsächliche Gewalt gehören bereits in Grundschulen zum Alltag.
Liebe Eltern, man darf auch mal für sich anerkennen und würdigen, was Lehrerin oder Lehrer zu tragen hat. Und wenn es nur für sich selbst im Stillen ist. Zum Beispiel vor dem nächsten Elterngespräch, das sich Sohn oder Tochter tatsächlich selbst eingebrockt haben.
Das hilft, nicht schon schlechtgelaunt ins Gespräch zu gehen und sich eher auf Verstehenwollen zu primen, anstatt auf Angriff oder Verteidigung.
Schule und Führung? Ja doch.
Dann gibt es ja noch die Schulleitung. Wer Facetten von Führung live erleben will, wird auf dem Gebiet der Schule fündig. Und zwar in der gesamten Bandbreite: vom Vermeiden von Struktur und Führung (O – Ton: „Bitte kommt mit Euren Problemen nicht zwischen 7 h und 8 h zu mir, da brauche ich Zeit für mich allein.“), über Bürokratieversessenheit, aber eben auch bis hin zu Kooperation und Innovation.
An letzteren Schulen sind Rektor*innen ein Paradebeispiel für gelingende kollegiale Beziehungsgestaltung unter stark herausfordernden Rahmenbedingungen. Leadership at it´s Best.
Man merkt, ich bin parteiisch. Das liegt daran, dass ich im Beitrag über und für die Vielen schreibe, die ich kenne. Wenn wir uns nicht kennen, wie erlebst du das?
Der Lehrerberuf liegt mir am Herzen, wie alle anderen Berufe, in denen sich Menschen mit ihrer seelischen Kraft anderen Menschen widmen, in Kindergärten, Schulen, in der Jugendhilfe, in der Pflege uvm.
Btw, bei all dem, womit Lehrer*innen konfrontiert sind, frage ich mich, wie kommt ihr damit klar?
Und nun: von Herzen gute Erholung.
Solidarische Grüße, Uwe