Neulich in der Retrospektive: der innere Konflikt

Dazu ein Beispiel aus der letzten Woche, irgendwo in D. Im Beitrag geht es mir um das Verdeutlichen, weniger um ein „Lösen“.
Von daher ein tippbefreiter Post.
Wer kennt sowas?
Einmal angenommen, jemand macht im Meeting eine allgemeingehaltene, stark abwertende Bemerkung und du bist von Jetzt auf Gleich getriggert. Auch deine Nachbarin zuckt zusammen. Keiner sagt was. Alle spüren etwas.  Scheinbar ziehst du dir gerade den Schuh an: dein Herz beginnt fester zu schlagen und im Gesicht ist dir plötzlich ganz heiß. Du fühlst dich angegriffen und checkst deine Abwehrwaffen. Alles dabei! Blitzartig verlässt dich der Mut, hier etwas klarzustellen. 
Innerer Dialog:
„Geht´s noch?! Immer wieder er! Ich muss das hier jetzt ein für alle Mal klarstellen, das bin ich dem Team schuldig! Aber was, wenn das die Sache hier noch schlimmer macht? Das kriegst du hin. Aber jetzt den Mund zu halten ist keine Option! Offenheit! Unser core value!! Einfach rausplatzen? Das wär zumindest krass authentisch. Ich stehe zu mir! Wie reagiere ich am besten, wenn er/sie dann so und so reagiert? Und was, wenn das hier danach doch eskaliert? Wir müssen heute zum Ergebnis kommen. Boah, ich bin immer noch angep….!!“ 
(Gedankenkarussell auf MAX – Psychotonus Stufe 6: akuter Konflikt)

Und ZACK, Meeting vorbei. 

Alle verlassen an dir vorbei den Raum. 

Allein fragst du dich: „Was war DAS denn?!“ Du schüttelst den Kopf und packst das Ereignis in deinem mentalen Rucksack für diesen Arbeitstag. Du hast ihn auch in Gesprächen mit Anderen immer dabei. Erst viel später zuhause bemerkst du, dass du die ganze Zeit wütend warst und noch bist: über die Bemerkung, ja! Aber vor allem auf dich selbst, weil du nicht „richtig“ reagiert hast. Und dann ärgerst du dich noch, dass du jetzt schon wieder wütend bist und nicht so cool, wie du dich eigentlich selbst gerne hättest. Der Abend war dann so lala.

Soll so oder so ähnlich vorkommen.

 

 

Mal von ganz oben draufgeschaut:
Sinnliche Wahrnehmungen liefern die Rohdaten für Denk – und Fühlprozesse und beeinflussen sich gegenseitig. Denken umfasst dabei so etwas wie Planen, Analysieren und Strukturieren, sowie das Bewerten und Entscheiden.

In diesem Prozess reisen wir gedanklich in der Zeit hin und her. Wer zum Beispiel einen Urlaub plant, der erinnert sich an vergangene Urlaube und malt sich den Kommenden aus.

Genau genommen ist unser Denken – wenn wir nicht darauf achten – permanent auf Zeitreise. Im Innern ruft dies Anmutungen und Gefühle hervor, für die wir nicht unsere Erinnerungen oder Phantasien verantwortlich machen, sondern das Hier – und – Jetzt.

Im Beispiel  hat der Satz des Kollegen (objektiver Sinnesreiz) eine solche Zeitreise des Bewusstseins bei dir ausgelöst. Also weg vom Hier – und – Jetzt. Hinein in Vergangenes, als es mal nicht so gut lief.

Daniel Kahneman würde glaube ich sagen, dass das Erinnernde Selbst gerade aktiv ist, mit all seinen Bildern, Sätzen und emotionalen Markierungen von damals. Einer meiner Lehrer würde sagen, da schaut jemand einen Heimatfilm und vergisst, dass er im Kino sitzt. Der innere Konflikt behindert das Auflösen der Spannung im Außen. Paradox. Der konstruktive Umgang mit dem Konflikt im Hier – und – Jetzt wird zwangsläufig vertagt.—

In den Blog – Beiträgen rund um das Zuhören beschreibe ich unter anderem ein ein Modell mit enormer transformativer Kraft:

Theorie U von Otto Scharmer. Sie beschreibt vier  Quellen des Zuhörens und deren jeweilige Auswirkungen auf das soziale Ergebnis der Kommunikation. 

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die vier Qualitäten des Zuhörens und wie sie den Outcome von Beziehungen prägen.

Anschließend verbinde ich die Theorie U mit Introvision: für jede Ebene beschreibe ich die mentale Aktivität / die Foki der Aufmerksamkeit / die hinderlichen Imperative.

Mein Ziel dabei: ich möchte die mentalen Prozesse verdeutlichen, die auf den jeweiligen Ebenen wirksam sind.

Aus dieser Perspektive betrachtet, tut sich ein Lernweg hin zu besserem Zuhören auf.

Stay tuned.

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UPPS, nun doch ein Tipp? 
wenn du dir das nächste mal von jemand anderem einen Heimatfilm einlegen lässt, dann merkst du das – wenn überhaupt – an einem plötzlichen unangenehmen Gefühl, oder, je nach Triggerstärke, durchfährt dich auch schon mal ein Energiestoß.

In dem Maße wie du erkennst, dass dies – wahrscheinlich – Vergangenes ist, das sich wieder mal bei dir meldet, kannst du dir klarmachen, dass du gerade den Playbutton eines alten Films drückst. 

Diese Erkenntnis versetzt dich in die Lage, dir selbst so etwas zu sagen wie: ja, ich merke, dass ich ärgerlich bin. Ich kämpfe nicht dagegen an, aber richte mich auch nicht danach. 

Dadurch das der Ärger sein darf, verblasst er, während du zugewandt und offen bleibst.

Diese Form der Achtsamkeit in Kontakt ist eine Grundbedingung für qualitativ gutes Zuhören. Darum geht es im nächsten Artikel.