Zuhören I:
Mentale und emotionale Aspekte
-“In wichtigen Gesprächen bin ich nur dabei zu überlegen, was ich als nächstes sagen soll.”
– “Eigentlich bin ich eine gute Zuhörerin. Aber wenn xy redet und redet, krieg´ ich die Krise.”
– “Beim Thema yz schwillt mir der Kamm!”
So etwas kennen wir alle, mehr oder weniger.

Was diesen Sätze gemeinsam haben, ist Folgendes:

Erstens, der Aufmerksamkeitsfokus der Person, die diese Sätze sagt, ist enggestellt. Im Tunnel.
Da ist kaum Platz für Neues.
Zum Beispiel für vertiefendes Hinhören, geschweige denn, für Bereitschaft und Interesse.
Zweitens, es schwingt eine leichte Bedrohungslage mit.

Gutes Zuhören, was soll das sein?
Aus meiner Sicht ist dies zum Einen gekennzeichnet durch die Fähigkeit und vor allem Bereitschaft, sich auf Menschen und Situationen einzulassen. Und zum Anderen durch die Fähigkeit und Bereitschaft, sich auf das Gehörte auch zu beziehen, in dem, was man sagt und tut. Wie oft reden wir aneinander vorbei, obwohl wir dasselbe Ziel haben? 

Zuhören ist die Basis jeglicher Vertrauensbildung zwischen Menschen.
Über Leadership zu sprechen heißt, über gleichwürdiges Zuhören und die Bereitschaft dazu zu sprechen.  Es ist die Voraussetzung schlechthin für gelingendes Teamwork und Beziehungsgestaltung im Allgemeinen.

Durch gutes Zuhören entsteht Nähe zwischen Menschen.           Das nennt man auch Kontakt

Wer dabei dem unbewussten Imperativ folgt: du darfst keine Nähe zulassen, dürfte in Gesprächen häufiger Stress erleben, sobald sie vom erwarteten Pfad abweichen oder persönlicher werden.

Wer Menschen führt, sollte sich von ihnen bewegen lassen. Können.
Das geht nicht ohne Berührung auf emotionaler Ebene. Daher: können. So etwas kann und will nicht jede/r und hat gute Gründe dafür. Der Wunsch nach mehr Selbstwirksamkeit in der Führung von Menschen geht ohne eine reflektierte Nahbarkeit erfahrungsgemäß selten in Erfüllung. 

Wie entsteht Nähe?
Vor allem durch den Akt des Zuhörens. Wer das oben Gesagte für sich selbst teilt, stellt sich vielleicht die Frage, wie nahbar bin ich? Klingt möglicherweise unbequem die Frage. Wie gut höre ich zu? Klingt es so angenehmer? Es sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Wenn da nicht die Betriebstemperatur wäre…                              Die Bereitschaft und Fähigkeit eines Menschen, sich überhaupt einzulassen und aufeinander zu beziehen, korreliert sehr stark mit seiner inneren Verfasstheit im Moment. 

 

Damit meine ich eine Art inneren Grundklimas. Die aktuelle Betriebstemperatur, wenn man so will. Diese bei sich selbst überhaupt erfassen und einordnen zu können, ist ein möglicher Ausgangspunkt für eine Eigenregulation der Person. 

Wie kann man seine momentane Betriebstemperatur erspüren?
Hierfür ist die Psychotonus – Skala nach Prof. A.C. Wagner eine außerordentlich nützliche Landkarte. Darin beschreibt sie sieben unterschiedliche Niveaus von Anspannung und Erregung, die jede(r) sofort wiedererkennt. 
Die Stufen 1 (Tiefe Ruhe) bis 4 (Alltagswachbewusstsein) gehören zur Sphäre von Gelassenheit, ab Stufe 5 (Anstrengung, Wille, Impulsivität) beginnt die der Nichtgelassenheit. In Stufe 6 (akuter innerer Konflikt) kreisen die Gedanken und drängen sich in den Vordergrund des eigenen Erlebens.

In Stufe 7 (allerhöchste Anspannung, Erregung und Hemmung) – eskaliert der Konflikt nach innen und / oder außen.Ganz nebenbei verleiht die Skala dem eher schwammigen Begriff Gelassenheit eine Kontur und er wird in Teams besprechbar und daher teilbar.

Wobei und wozu ist das alles wichtig?

Der aktuelle Grad an Gelassenheit einer Person (Psychotonus – Stufe) korreliert stark mit der Bereitschaft, sich einzulassen – auf ein Gegenüber, die Mitglieder im Team, die Sache oder sich selbst. 

Wenn ich stark gestresst bin, bin ich möglicherweise im Gespräch – sei es noch so wichtig – nur daran interessiert, dass es möglichst schnell vorbei sei. Und der sicherste Ausweg ist nun mal ein Tunnel(blick) *Ironie off.

Die Theorie U von Otto Scharmer ist ein sehr hilfreicher Kompaß für das Einschätzen der Qualität des Zuhörens.

Und sonst?
Wenn es um das Zuhören geht, ist meiner Ansicht nach viel zu oft von Techniken die Rede, um das Gegenüber abzuholen und haben manchmal den Beigeschmack von Manipulation. Nichts gegen Techniken. Allerdings entfalten sie erst dann ihr Potenzial, wenn die innere Haltung „stimmt“. Und zwar diejenige zum Gegenüber und sich selbst. Und beim Regulieren eigener Haltungen sind diese Landkarten eine gute Orientierung. 

Stay tuned.  

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Uwe Riebling

Seit 1994 bin ich freiberuflicher Organisationsentwickler und Coach. Schwerpunkt meiner Arbeit in Konzernen, im Mittelstand, in Kliniken und mit Einzelpersonen war schon immer die Gestaltung produktiver Arbeitsbeziehungen. 2013 habe ich die Wissenschaft und Methode der Introvision (Uni HH) entdeckt. Für mich war die klare Beschreibung mentaler Prozesse wie ein fehlendes Puzzleteil. Seit dem verbinde ich - dort wo es für Kunden passt - die Art der Beziehungsgestaltung mit der Fähigkeit, Gelassenheit in schwierigen Situationen zu bewahren. Fragen für die Praxis: wie bringe ich mich selbst auf die Palme? Und könnte es sein, dass ich damit andere anstecke, oder auch umgekehrt? Welche Auswirkungen hat das? Wollen wir das in Zukunft lassen? Wie können wir damit aufhören? Der richtige Moment für Gelassenheit ist immer Jetzt. Kontaktieren Sie mich gern für Praxisbeispiele aus dem IndividualCoaching und der Teamentwicklung.